Die Zukunft der IP basierten Videoüberwachung

Fachartikel aus PROTECTOR 5/2011, S. 22 bis 23

Die nächsten 15 Jahre der Videoüberwachung

Perspektiven für die Zukunft

Zum 15. Geburtstag der Netzwerkkamera aus unserem Haus wurde ich gebeten, eine Vorausschau über die nächsten 15 Jahre der Videoüberwachung zu geben.

Bild: Axis
Martin Gren: „Da alle bedeutenden Produzenten von IP-Überwachungssystemen in die Unterstützung von Onvif investiert haben, wird dies meiner Ansicht nach auch der dominierende Standard im Bereich Netzwerkvideo werden.“ (Bild: Axis)

Ein einfacher Weg, die Zukunft der Videoüberwachung vorher zu sagen, ist der Ansatz über das Mooresche Gesetz – einem Trend in der Elektronikwelt, nach dem sich die Leistung alle 18 Monate bei gleichen Kosten verdoppelt. Heute erreichen Netzwerkkameras eine Bildrate von 30 Bildern pro Sekunde mit einer HDTV-Auflösung von 1080p, verglichen mit einem Bild pro Sekunde bei 0,1 Megapixel vor 15 Jahren – eine Leistungssteigerung um das 600-fache. Das bedeutet, dass Netzwerkkameras das Mooresche Gesetz sogar übertroffen haben und heutzutage viel größeren Nutzen bieten als Analogsysteme.

Hin zur Standardisierung

Da alle bedeutenden Produzenten von IP-Überwachungssystemen (einschließlich unserer Firma) in die Unterstützung von Onvif investiert haben, wird dies meiner Ansicht nach auch der dominierende Standard für API im Bereich Netzwerkvideo werden. Ich denke auch, dass die Standardisierung nach PoE, HDTV und SMPTE weiterhin große Bedeutung in der Videoüberwachung haben wird.

In Zukunft werden Leistungsverbesserungen nach dem Mooreschen Gesetz für die Bildbearbeitung wichtig sein. Ich erwarte, dass dadurch die durchschnittliche Überwachungskamera mehr sehen kann als das menschliche Auge – etwas, dessen genaue Umstände noch nicht konkret benannt werden können.

Bild: Axis
Erste Netzwerkkamera der Welt aus dem Jahr 1996: Bildrate von einem Bild/Sekunde bei 0,1 Megapixel Auflösung. Moderne IP-Kameras leisten das 600-fache. (Bild: Axis)

Ich rechne nicht damit, dass die HDTV-Standards nun 70 Jahre lang gelten werden, aber in 15 Jahren ist es vorstellbar, dass die meisten Kameras HDTV-kompatibel sind. Auf dieser Basis werden Multi-Megapixel (und -Terapixel!)-Kameras von großer Bedeutung sein – entweder, um Videoaufnahmen mit höherer, detailgetreuerer Auflösung für forensische Untersuchungen zu speichern oder einzelne HD-Streams herauszuziehen. Das Beeindruckende an Netzwerkvideo ist, dass es hinsichtlich der Auflösung keine Grenzen gibt.

Wärmebildtechnologie

Heute ist die Wärmebildsparte ein spezieller Markt, meist für Militär- und Regierungsanwendungen. Da die Preise für die Komponenten von Wärmebild-Netzwerkkameras fallen und die Nachfrage steigt, können wir mit einer Menge neuer Anwendungen rechnen. Heute wird eine Wärmebildkamera pro 400 regulärer Überwachungskameras installiert. Wir erwarten, dass sich dieses Verhältnis in den nächsten Jahren zu 1:50 hin entwickelt, da die Überwachungsspezialisten erkennen, dass die Technologie wirtschaftlich vertretbar und leicht an bestehende Netzwerksysteme anzuschließen ist und für viele problematische Anwendungen eingesetzt werden kann.

Speicherung im Gerät oder Cloud-basiert

Bald werden wir die kamerainterne Speicherung haben, die mit HDTV-Auflösung Aufzeichnungen für mehrere Wochen möglich macht. Dies stellt eine Trendwende dar, da die Kamera mit der Speichervorrichtung ausgestattet wird, was bei Analogsystemen unmöglich ist. Diejenigen, die diese Veränderung umsetzen müssen, sind die VMS-Produzenten und die DVR-Leute. DVRs, wie wir sie kennen, werden vermutlich den Weg der Röhren-basierten Kameras gehen und in 15 Jahren vom Markt verschwunden sein.

Hosted Video

Heutzutage wissen alle Kunden, dass sie sich auf Hosted Services, wie Hotmail, Gmail und Facebook, verlassen können. Bei den Profis verlassen sich viele auf Salesforce.com und Cloud-basierte HR-Systeme. Und wir verlassen uns auf Internet Banking. Wenn wir heute der Cloud vertrauen, wenn es um unser Geld geht, ist es doch logisch, dass dies morgen auch für Sicherheitsvideosysteme gilt.

Die Vorteile liegen auf der Hand: kein Bedarf an DVR, die Option der NVR-Aufzeichnung vor Ort und keine festen Kameras, verbunden mit den grundlegenden Vorteilen von IP-Video. Anwender können das Video von überall aus über internetfähige Geräte ansehen, auch über das Handy. Hosted Video ist eine Vision, die in meinen Augen in den nächsten Jahren von enormer Bedeutung sein wird – insbesondere auf dem Zielmarkt des Kleingewerbes – und dann mit einem extremen Benutzerzuwachs bis 2025.

Installation und Betrieb von Kameras

Da das iPhone das Design von Mobiltelefonen revolutionierte, wird Netzwerkvideo dasselbe in der CCTV-Industrie bewirken. Die Umstellung vollzieht sich im Vergleich mit der Consumer-Elektronik oft langsamer, aber weitere Verbesserungen im Hinblick auf Installationsfreundlichkeit, flexible Montagemöglichkeiten und ein höherer Grad an PTZ-Kameras ist zu erwarten. Außerdem muss Wachpersonal geschult und mit Mobilgeräten ausgestattet werden, die mit den Kameras verbunden sind, so dass ein effizienterer Gebrauch möglich ist.

Videoanalyse

Es ist riskant, für diesen Bereich Voraussagen zu treffen, und viele davon haben sich in den letzten fünf bis zehn Jahren als falsch erwiesen. Ich sage aber bewusst, dass in 15 Jahren die Videoanalyse sehr populär sein wird. Das größte Problem ist die Voraussage, wann genau das passieren wird.

Fest steht, mit zunehmend verbesserter Leistung werden Analysen sowohl auf dem Server als auch intern (in der Kamera) möglich sein. Die Sieger werden die sein, die sich mit den besten Analyseanbietern und offenen Systemen arrangieren. Analysen „am Rande“ schneiden besser ab; ich erwarte also, dass in Zukunft die meisten Analysen durch Eingaben in das VMS mit Metadaten oder Alarmmeldungen erfolgen werden.

Vertikale Märkte

Heute finden wir die meisten Überwachungskameras im Einzelhandel. Mit der fortschreitenden Verbesserung von Netzwerkkameras werden diejenigen, die Systeme integrieren, noch viel mehr Anwendungsmöglichkeiten entdecken. Vertikale Märkte, wie Städteüberwachung, Transport und Gesundheitswesen, werden hohe Zuwachsraten aufweisen, da die Überwachungssysteme für eine bessere betriebliche Effizienz sorgen. Der Immobilienmarkt ist aber auch interessant. Schon oft wurde versucht, Hausbesitzern Kameras zu verkaufen. Ich denke, dass dies dank Hosted Video ein bedeutendes Vertikalgeschäft wird.

Martin Gren, Mitbegründer von Axis Communications AB und Erfinder der ersten Netzwerkkamera der Welt

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ViSiTec Video-Sicherheit-Technik GmbH

Auflösung von Netzwerkkameras

Fachartikel aus PROTECTOR Special Videoüberwachung 2011, S. 38 bis 39

Wie viele Pixel braucht man wirklich?

Vor der Anschaffung eines neuen IP-Kameramodells stellt sich für viele Anwender zuerst die Frage nach der Auflösung, das heißt, wie viele Pixel sich im Bildsensor der Kamera befinden. Die Bildqualität hängt jedoch nicht nur von der Anzahl der Pixel ab. Was sind die Entscheidungskriterien für ein bestimmtes Kameramodell, wie können Anwender feststellen, wie viele Pixel sie wirklich für ihre Anwendung benötigen?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich über die Anforderungen klar werden: Möchte man einfach nur einen allgemeinen Überblick über einen Ort bekommen, will man Gesichter, die Nummernschilder von Autos oder sogar die Vorderseite von Spielkarten erkennen können? Die Antwort auf diese Fragen lässt darauf schließen, ob man eine Kamera mit VGA-Auflösung, mit Megapixel- oder sogar mit Multi-Megapixelauflösung benötigt.

Bild: Basler

Bildrauschen bei unterschiedlichen Auflösungen. (Bild: Basler)

Der IP-Markt bewegt sich in Richtung immer kleinerer Pixelgrößen, da eine ständig wachsende Anzahl von Pixeln auf einer Sensorfläche konstanter Größe aufgebracht wird. Auf der einen Seite hat dieser Trend Kostenvorteile, auf der anderen Seite haben die kleineren Pixel eine Reihe von Konsequenzen.

Gute Objektive für kleine Pixel

Wie groß muss also ein Pixel sein, damit die Auflösung des Objektivs bestmöglich genutzt werden kann, um das Objekt auf der Sensorfläche abzubilden? Am Beispiel eines sehr kleinen Punktes auf dem Objekt lässt sich das gut verdeutlichen. Ein sehr gutes Kameraobjektiv bildet diesen Punkt auf dem Objekt in einen Punkt von fünf Mikrometern Durchmesser auf der Bildebene ab. Preisgünstige Objektive dagegen stellen diesen Punkt mit einem „unschärferen“ Durchmesser von bis zu 15 oder 20 Mikrometern dar. Die Größe der Kamerapixel sollte jedoch nicht kleiner sein als die minimale Punktgröße, die das Objektiv in der Bildebene erzeugen kann. Viele kostengünstige Objektive können also nicht das ganze Potenzial einer Kamera mit kleinen Pixeln ausnutzen.

Kleine Pixel – exakte Justage

Bei kleinen Pixeln gibt es besondere Anforderungen an die Optik, aber auch enge mechanische Toleranzen, die eingehalten werden müssen. Je kleiner die Pixel, desto schwieriger die Vorgaben bei der Herstellung der Kamera bezüglich der Ausrichtung der Sensorfläche relativ zum Objektivanschluss. Dies ist wichtig, damit bei optimaler Fokussierung ein gleichmäßig scharfes Bild über die gesamte Sensorfläche erreicht werden kann. Auch für den Anwender wird bei einer Kamera mit kleinen Pixeln die genaue Scharfstellung des Objektivs schwieriger als bei großen Pixeln.

Kleine Pixelfläche – verringerte Lichtempfindlichkeit

Bei schlechter Beleuchtung und wenig Licht bekommt man nur wenig Bildinformation. Wenn die gleiche Szenerie auf einem Sensor mit vorgegebener Größe abbildet wird, ist die Anzahl an Photonen, die auf jedes Pixel treffen, proportional zur Pixelgröße. Das bedeutet, dass für das gleiche Signal-zu-Rausch-Verhältnis ein Fünf-Megapixel-Sensor vier Mal mehr Photonen benötigt als ein 1,3-Megapixelsensor. Im Allgemeinen benötigt man eine gute Beleuchtung, wenn man kleine Pixel einsetzen möchte.

Viele Pixel – viele Daten und geringere Bildfrequenz

Bei IP-Applikationen sind komprimierte Datenformate Standard. Aber auch mit komprimierten Daten erzeugen Sensoren mit höherer Auflösung auch größere Datenmengen. Der Anwender muss letztendlich entscheiden, ob eine größere Auflösung wirklich wichtig ist, wenn es um die Auslegung von Netzwerk und Bilddaten-Speicher geht. Eine höhere Auflösung setzt in der Regel auch die maximale Bildrate herab.

Bild: Basler

Einfluss der Objektivqualität auf die Bildqualität. (Bild: Basler)

Die Anforderungen entscheiden

Bevor sie eine Kamera für ihre Anwendung auswählen, sollten sich Anwender fragen, wie viele Pixel und welche Bildrate sie wirklich benötigen. Keinesfalls ratsam ist der Versuch, beim Objektiv das Geld wieder einzusparen, das man vielleicht für eine hochauflösende Kamera ausgegeben hat. Unter schwierigen Lichtverhältnissen muss der Kamerasensor eine hohe Empfindlichkeit aufweisen. Sensoren mit großen Pixeln sind in vielen Fällen die richtige Wahl bei schlechten Lichtverhältnissen. Darüber hinaus kann ein lichtstarkes Objektiv dabei helfen, so viel Licht wie möglich zu sammeln.

Zunächst sollte man seine Anforderungen sehr genau zusammenstellen und sich anschließend von einem fachlich qualifizierten Anbieter beraten lassen, um herauszufinden, wie viele Pixel man für eine Anwendung wirklich benötigt.

Valeria Mix, Technical Writer bei der Basler AG

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ViSiTec Video-Sicherheit-Technik GmbH

IP in der Sicherheitstechnik

Fachartikel aus PROTECTOR Special Videoüberwachung 2009, S. 40 bis 43

Video ist nur der Anfang

Aus der Videoüberwachung sind IP-basierende Kameras und Lösungen heute nicht mehr wegzudenken. In vielen Anwendungen haben sie analoge Systeme bereits verdrängt. In anderen Bereichen dagegen hat sich das Standardprotokoll noch nicht im gleichen Maße durchsetzen können. Allerdings ist auch hier ein Trend zum Einsatz von IP und Ethernet zu erkennen.

Bild: Bosch
Bei Einbruch- und Brandmeldesystemen dient das IP-Protokoll immer häufiger für die Kommunikation der Meldezentralen mit dem übergeordneten Gebäudemanagementsystem. (Bild: Bosch)

Attraktiv sind Ethernet und IP für viele Unternehmen vor allem, weil sie den Aufbau separater Netzwerke für die Datenverarbeitung und die Sicherheitstechnik überflüssig machen können. Eine zentrale und einheitliche Verwaltung verspricht deutlich reduzierte Betriebskosten, und auch bei den Investitionen in die Infrastruktur führen die hohen Stückzahlen zu erheblichen Kostenvorteilen. Doch nicht nur finanziell zahlt sich der Einsatz standardisierter Netzwerktechnologien aus: Eines ihrer großen Versprechen ist die Schaffung einer gemeinsamen technischen Plattform für alle Bereiche der Sicherheitstechnik. Informationen von Videokameras, Brand- und Rauchmeldern oder Türsteuerungen können über einheitliche Protokolle, wie TCP/IP, und standardisierte Schnittstellen, wie OPC, zentral zusammengeführt werden. Ferner besteht so die Möglichkeit, mehrere Anwendungen auf einer gemeinsamen, flexiblen und konfigurierbaren Oberfläche anzuzeigen und miteinander zu verknüpfen. Zudem werden ganz neue Anwendungen durch die Digitalisierung überhaupt erst möglich.

Intelligenz in Kameras und Encodern

Dass „Security over IP“ heute häufig noch mit „Video over IP“ gleichgesetzt wird, hat nachvollziehbare Gründe, ist aber trotzdem falsch. Die Videoüberwachung ist heute allerdings der einzige Bereich der Sicherheitstechnik, in dem Ethernet und IP flächendeckend bis hin zum Sensor, nämlich der Videokamera, eingesetzt werden. Das ist nur deswegen möglich, weil Kameras vergleichsweise teure Systeme sind und die zusätzlichen Kosten für einen eigenen Prozessor und die notwendige Software dort nicht erheblich ins Gewicht fallen. Diesen geringen Zusatzkosten stehen jedoch erhebliche Kosteneinsparungen und andere Vorteile gegenüber.

Dank ihrer hohen Verarbeitungsleistung bieten moderne IP-Netzwerkkameras und -Encoder erheblich mehr als eine herkömmliche Videoübertragung. Insbesondere ermöglicht diese höhere Leistung den Aufbau dezentraler Videoarchitekturen mit intelligenten Funktionen direkt in den Encodern und Kameras. Bei diesem Ansatz werden alle „Ereignisse“ am Kamerastandort generiert und nur noch Videobilder von Interesse an die Leitstelle gesendet, was den Datenverkehr im Netzwerk deutlich reduziert. Dafür gibt es heute eine Vielzahl von Videolösungen, bei denen Festplatten direkt an die Kameras oder Encoder angeschlossen und als lokale Ringspeicher genutzt werden können.

Erheblich Kosteneinsparungen

Im Vergleich zu analogen Lösungen mit zentraler Videospeicherung bieten solche Systeme erheblich Kosteneinsparungen. Trotzdem geht der Trend bereits wieder weg von einfachen Netzwerkrecordern, denn der Einsatz von iSCSI-Laufwerken verspricht deutlich mehr Flexibilität und Zuverlässigkeit. So lassen sich mit iSCSI relativ einfach flexible Speichernetze mit Redundanz und einer automatischen Lastverteilung (Load Balancing) realisieren, so dass die Verfügbarkeit der Lösung jederzeit garantiert werden kann. iSCSI-basierende Speichersysteme sind zudem mittlerweile recht kostengünstig und lassen sich sehr einfach skalieren. Bedenkt man, dass die Speicherung von Videobildern nicht selten die Hälfte der Gesamtkosten für die Videoüberwachung ausmacht, sind dies starke Argumente für den Einsatz von iSCSI-Systemen.

Wenngleich IP heute in der Videoüberwachung als Standard gelten kann, gibt es doch noch einige Bereiche, in denen analoge CCTV-Technologien eingesetzt werden. Bei Spezialkameras, wie Dome- oder Infrarot-Kameras, spielt analoge Technik nach wie vor eine erhebliche Rolle – diese Systeme werden dann allerdings über entsprechende Decoder in das IP-Netzwerk integriert. Ähnlich sieht es in Bereichen mit harten Umgebungsbedingungen aus, in denen bei der digitalen Signalübertragung mit Störungen zu rechnen ist. Manche Unternehmen setzen auch im Außenbereich auf analoge Techniken, um einen physikalischen Zugang zu ihrem IP-Netz unmöglich zu machen. Allerdings gibt es hier auch andere Möglichkeiten, unbefugte Zugriffe wirkungsvoll zu verhindern, so dass sich IP-Kameras auch in der Außenhaut- und Freilandüberwachung zunehmend durchsetzen.

Auch Audio-Streams

Wurde IP in der Videoüberwachung zunächst nur für die Übertragung von Bildern eingesetzt, läuft heute auch der Audio-Stream immer häufiger über dieses Protokoll. Verbesserungen in der Netzwerktechnologie haben die Latency in den Bereich von 100 Millisekunden gedrückt, was für eine hochwertige Audioübertragung ausreichend ist (weswegen sich auch die Telefonie über das IP-Protokoll zunehmend durchsetzt). Qualitätsprobleme sind erst ab etwa 150 Millisekunden Latency zu erwarten. In modernen Gigabit-Netzen steht heute genügend Übertragungskapazität für Audio- und Videosignale zur Verfügung, zumal dieser Verkehr in virtuelle LANs (VLANs) separiert und dann mit einer hohen Priorität versehen werden kann. Dies erfolgt in der Regel über die Reservierung der notwendigen Bandbreite für den Videoverkehr in den Ethernet Switches. Solche Maßnahmen können vor allem dort erforderlich sein, wo die Videoüberwachung über das bestehende Datennetz betrieben wird und dieses bereits eine nennenswerte Auslastung aufweist.

Ein weiterer Vorteil der IP-Technologie ist die Tatsache, dass sie nicht zwangsläufig kabelgebunden ist. So lassen sich über WLANs relativ einfach auch Video- und Audio-Streams aus problematischen Umgebungen übertragen. Beispielsweise sind die Schleppkabel von Aufzugsanlagen in der Regel nicht für die Übertragung von Audio und Video ausgelegt – per WLAN lassen sich hier trotzdem zuverlässige und kostengünstige Überwachungs- und Notruflösungen realisieren.

Genauere Erkennung von Vorfällen

Der Trend weg von der analogen Videoüberwachung und hin zum vermehrten Einsatz von IP-gestützten Systemen hat auch eine Vielzahl von Lösungen für die intelligente Videoanalyse mit sich gebracht. Netzwerk-basierte Überwachung und intelligente Analyse ermöglichen zum einen eine deutlich genauere Erkennung von Vorfällen, da Konzentrationsmängel und andere menschliche Fehler von vornherein ausgeschlossen werden. Zum anderen machen sie das Sicherheitspersonal deutlich effizienter, da dieses nur noch auf generierte Alarme reagieren muss, statt ständig eine Vielzahl von Live-Bildern zu überwachen.

Bild: Bosch
Die Videoüberwachung ist heute der einzige Bereich der Sicherheitstechnik, in dem Ethernet und IP flächendeckend bis hin zum Sensor, nämlich der Videokamera, eingesetzt werden. (Bild: Bosch)

Waren die ersten intelligenten Systeme noch fast ausschließlich auf die Detektion von Bewegungen ausgelegt, gibt es heute wesentlich vielfältigere Alarmierungskriterien. Statt jede Bewegung zu melden, analysieren moderne Systeme auch die Größe des Objekts, seine Geschwindigkeit und seine Bewegungsrichtung und vermeiden so Fehlalarme wie bei der schon fast sprichwörtlichen Katze, die durch das Bild huscht. Interessant ist für viele Anwendungen auch eine Konfigurationsoption für Referenzobjekte. Hierbei werden alle relevanten Objektdaten, wie Größe, Geschwindigkeit und Farbe, in einer ausgewählten Live-Szene durch einen Mausklick auf das betreffende Objekt erfasst. Diese Informationen können dann als Überwachungskriterien zur späteren Verfolgung ähnlicher Objekte verwendet werden – auch über mehrere Kameras hinweg. So lässt sich beispielsweise sehr einfach erkennen, in welchen Bereichen des Firmengeländes sich eine verdächtige Person oder ein bestimmtes Fahrzeug bewegt hat.

Abstraktion durch Metadaten

Wenngleich bei vielen Anwendungen die zuverlässige Live-Alamierung im Vordergrund steht, ergibt sich doch oft die Notwendigkeit, Ereignisse später nachzuvollziehen. Eine Möglichkeit, diese Forensik deutlich zu beschleunigen, liegt in der Abstraktion. So können digitale Kameras neben dem eigentlichen Videobild auch Content-Analyse-Informationen in Form von Metadaten aufzeichnen. Diese bestehen aus einfachen Textzeichenfolgen mit Beschreibungen spezieller Bilddetails, wie Objekte oder Bewegungen. Die Metadaten haben ein wesentlich geringeres Volumen als die Videoaufzeichnungen selbst und lassen sich daher deutlich schneller und vor allem maschinell durchsuchen. Sie können zudem auch aus anderen Quellen wie etwa der Zutrittskontrolle stammen, so dass mit unterschiedlichen Techniken detektierte Ereignisse sehr einfach korreliert werden können.

IP jenseits von Video

Die Videoüberwachung hat dem IP-Protokoll den Zugang zur Sicherheitstechnik geebnet, doch der Einsatz digitaler Netzwerktechnologien ist schon lange nicht mehr auf Video beschränkt. Beobachter erwarten, dass die IP-Technologie schon bald auch den Markt für Zutrittskontrollsysteme beherrschen wird, da sie auch hier ihre Vorteile – Flexibilität, Standardisierung und geringe Kosten – voll ausspielen kann. Zwar ist nicht zu erwarten, dass die RS485-Schnittstellen der Terminals für die Zutrittskontrolle und die Zeitwirtschaft schon bald flächendeckend durch Ethernet ersetzt werden, doch verfügbar sind solche Systeme bereits. Allerdings sind IP-fähige Terminals wegen der erforderlichen Intelligenz noch spürbar teurer als ihre konventionellen Geschwister. Bei den Türkontrollern ist eine Ethernet-Schnittstelle für die Anbindung an die Zentrale dagegen heute Standard. Konfigurationsdaten für die einzelnen Terminals können so sehr einfach über das Netzwerk verteilt werden, und auch die Einbindung in ein zentrales Gebäudemanagement wird erheblich effizienter.

Ähnlich wie bei der Videoüberwachung ermöglicht auch die Digitalisierung der Zutrittskontrolle ganz neue Anwendungen, die einerseits die Sicherheit erhöhen und andererseits Kosten sparen können. So lassen sich viele digitale Zutrittskontrollsysteme über eine LDAP-Schnittstelle mit den gängigsten Verzeichnissystemen aus der EDV, wie etwa dem Active Directory, kombinieren, so dass die Zugangsrechte zur physischen und zur DV-Welt sehr effizient zentral verwaltet werden können.

Preissensitive Sensoren

Auch bei Einbruch- und Brandmeldesystemen dient das IP-Protokoll immer häufiger für die Kommunikation der Meldezentralen mit dem übergeordneten Gebäudemanagementsystem. Auf Sensorebene dagegen hat es sich bisher nicht durchsetzen können, da die Sensoren hier einfach und sehr preissensitiv sind. Zusätzliche Intelligenz wird nicht unbedingt benötigt, Extrakosten für eigene CPUs und die erforderliche Software sind daher in der Regel nicht zu rechtfertigen. Zudem stehen für den Anschluss der Melder an die Zentralen ausgereifte und kostengünstige Technologien, wie LSN (Lokales Sicherheitsnetzwerk), zur Verfügung, über die Ereignisse nicht nur gemeldet, sondern auch sehr genau lokalisiert werden können. Auch die für Hochsicherheitsanwendungen wie den Brandschutz notwendigen Zertifizierungen tragen dazu bei, dass IP sich dort auf der Sensorebene noch nicht durchsetzen konnte.

Bild: Bosch
Bisher existiert bei der Gefahrenmeldetechnik kein einheitlicher Standard. (Bild: Bosch)

Ein weiteres Problem ist die fehlende Standardisierung in der Kommunikation zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller. Während sich bei der Videotechnik mit Onvif eine Standardisierungsorganisation gebildet hat, der praktisch alle namhaften Hersteller, wie Axis, Bosch, Cisco, Panasonic, Sony und viele andere, angehören, ist die Welt in der Gefahrenmeldetechnik gespalten. Mit dem aus der Prozesstechnik stammenden OPC und dem in der Gebäudeleittechnik beheimateten Bacnet existieren hier zwei Standards, die allerdings beide auf TCP/IP als Transportmedium zurückgreifen können. Dennoch würde ein einheitlicher Standard für die Gerätekommunikation sicher auch die Akzeptanz eines Standard-Transportmediums, wie TCP/IP, fördern.

Sicherheitstechnik absichern

Betreibt man die Sicherheitstechnik über eine IT-Infrastruktur, muss man sich zwingend auch mit der Frage der IT-Sicherheit beschäftigen. Daten aus der Videoüberwachung oder der Brandmeldeanlage sind kritisch und/oder vertraulich; sie dürfen weder in falsche Hände gelangen noch der Gefahr der Manipulation ausgesetzt werden. In manchen Unternehmen kommt es daher vor, dass für die Sicherheitstechnik zwar IT-Technologien eingesetzt, aber trotzdem separate Netze aufgebaut werden. Der leitende Gedanke ist dabei, dass die Trennung von Sicherheits- und Datennetz einen erheblichen Sicherheitsgewinn bringt und auch der Performance beider Netze zugute kommt. Allerdings lassen sich eine solche Trennung und der damit verbundene Sicherheitsgewinn auch innerhalb eines physischen Netzes erreichen. Virtuelle LANs ermöglichen nicht nur garantierte Bandbreiten für die anspruchsvolle Videoübertragung, sondern auch das Management unterschiedlicher Berechtigungen für die einzelnen VLANs. Damit können logisch völlig separate Netze über eine einheitliche physische Infrastruktur realisiert werden.

Der logische Zugang zu dieser Infrastruktur wird dann mit den Mitteln der IT-Security abgesichert. So lassen sich über IEEE 802.1X nicht nur Personen authentifizieren, sondern auf Ebene von Ethernet-Ports auch einzelne Geräte. Damit kann ausgeschlossen werden, dass jemand an einem zugänglichen Port ein nicht zugelassenes Gerät in das Netzwerk integriert, etwa indem er den Anschluss einer Videokamera im Außenbereich „anzapft“. Unbefugtes Abhören von Daten lässt sich in IP-Umgebungen zudem recht einfach über Verschlüsselungstechniken verhindern.

IP heißt nicht IT

IP-basierte Architekturen ermöglichen heute auch in der Sicherheitstechnik sehr flexible und kostengünstige Lösungen, da viele Standard-Komponenten aus der Welt der Informationstechnik verwendet werden können. Trotzdem sollte die physische Sicherheit nicht lediglich als Teil der IT gesehen werden, da nach wie vor die sicherheitstechnische Erfahrung der Mitarbeiter in Planung, Einrichtung und Überwachung die Qualität und die Effizienz der Gesamtlösung bestimmen. Aus der Sicht der IT ist die physische Sicherheit nur eine weitere Applikation, die gewisse Anforderungen an das Netzwerk stellt. Für den Sicherheitsverantwortlichen dagegen ist die IT ein zunehmend wichtiger werdendes Werkzeug, ohne das er sein Handwerk nicht mehr beherrschen kann. Für ihn ist es daher essentiell, sich intensiv mit den neuen Technologien auseinander zu setzen – sonst übernimmt über kurz oder lang die IT-Abteilung nach der Telekommunikation auch die Sicherheitstechnik.

Christoph Hampe, Vertriebsreferent, Bosch Sicherheitssysteme GmbH

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