Fachartikel aus PROTECTOR 11/08, S. 22 bis 23
Überblick Kompressionsverfahren
Moderne Video-Algorithmen
Alle IP-Videoprodukte nutzen eine digitale Kompression für ihre Videos. Denn: Unkomprimiertes Video in angemessener Qualität braucht eine Datenrate von bis zu 108 Megabit/Sekunde. Ohne Videokomprimierung lässt sich also keine vernünftige IP-Videoüberwachung realisieren. Allerdings unterscheiden sich die Verfahren erheblich.
Komprimierte Bilddaten schonen Bandbreiten- und Speicherkapazität. (Bild: Pixelio/Micha) |
In den frühen 1990er Jahren, als der ursprüngliche JPEG-Standard eingeführt wurde, Visitec verschickte man eine Reihe von JPEG-Bildern sequentiell (25 oder 30 Bilder) und bekam bewegte Bilder auf der Empfangsseite. Ein zunächst recht simples Verfahren. Im Laufe der Jahre brachten neue Algorithmen, wie MPEG-2 (1995), MPEG-4 (1999) und H.264 (2003), Verbesserungen bei der Kompression. M-JPEG ist dennoch der am häufigsten verwendete Codec, dessen wichtigste Vorteile der geringe Prozessor-Overhead, einfache Bearbeitung, einfache Umsetzung durch Entwickler mittels vorhandener JPEG-Algorithmen oder -Bibliotheken sowie die hohe Kompatibilität sind. Nachteil ist die hohe Bitrate im Vergleich mit den neueren Algorithmen. MPEG-2 ist in der Broadcast- und Multimedia-Welt weit verbreitet: Satellitenübertragung, DVDs oder Digitales Fernsehen (DVB-T) basieren beispielsweise auf MPEG-2. Dem Format liegt daher ein sehr ausgereifter und stabiler Algorithmus zu Grunde, der gut geeignet ist für Bitraten von vier bis zehn Megabit/Sekunde. Bei niedrigeren Bitraten können MPEG-Artefakte (Blocking) allerdings sehr störend wirken.
Neue Verfahren
MPEG-4 wurde zunächst nur für die Videoübertragung mit niedrigen Bitraten eingesetzt. Der Algorithmus ist allerdings für Bitraten von wenigen Kilobit pro Sekunde zu sechs Megabit pro Sekunde sehr effizient. Es entsteht bei gleicher Bildqualität nur etwa die Hälfte der Daten im Vergleich zu MPEG-2. Bei niedrigen Bitraten zeigt MPEG-4 eine weitaus weniger störende Qualitätsminderung der Bilder. Die Artefakte werden als eher „akzeptabel“ empfunden. H.264, auch bekannt als AVC (Advanced Video Codec) oder MPEG-4 Part 10, enthält eine Reihe von neuen Funktionen, mit denen Video noch effektiver komprimiert werden kann als mit bisherigen Standards. H.264 sollte deutlich universeller als alle zuvor angewandten Verfahren unter einer Vielzahl von Umständen in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden können. Es wurde für Broadcast-Anwendungen entwickelt, bei denen Rechenleistung kein Problem darstellt. Die begrenzte Rechenleistung eines modernen DSP bedingt aber, dass hier die meisten der Funktionen im H.264-Standard nicht verwendet werden können. Aus diesem Grund basieren qualitativ hochwertige H.264-Encoder auf Asics oder DSPs in Kombination mit Hardware-Beschleunigung. In den H.264-Standard wurde auch eine Menge Arbeit in Bezug auf Vermeidung von Artefakten und Bildverschlechterungen gesteckt. Besondere Maßnahmen dienen zur Verschleierung der MPEG-Artefakte für das menschliche Auge.
Bildqualität und Rechenleistung
Bei M-JPEG hängt die Bildqualität direkt von der Datenrate ab. Um hier eine befriedigende Bildqualität bei voller Bildrate zu erhalten, muss die Bitrate mehr als zehn Megabit pro Sekunde betragen. Mit H.264 kann eine gute Qualität mit voller Bildrate und -auflösung schon mit zwei Megabit erreicht werden; bei MPEG-4 mit vier und und bei MPEG-2 mit sechs Megabit. Für eine befriedigende Qualität reichen sogar nur 500 Kilobit bei H.264, ein Megabit bei MPEG-4 und etwa drei Megabit bei MPEG-2. In der Praxis hat jeder Codec eigene Vor-und Nachteile. Charakteristisch für M-JPEG sind hohe Kompatibilität, geringe Rechenleistung und hohe Bitrate. MPEG-2 bietet Broadcast-Qualität-, mittleren Rechenaufwand und mittlere Bitrate. MPEG-4 weist eine geringe Bitrate, mittleren Rechenaufwand und eine geringe Kompatibilität auf. H.264 überzeugt mit niedrigster Bitrate und künftiger HD-Unterstützung, benötigt aber eine sehr hohe Rechenleistung. Dies gilt auch für die Decodierung; man benötigt mehr CPU-Power. Zum Glück steigt mit den modernen Dual-Core- und Quad-Core-Prozessoren auch die Rechenleistung.
Qualitativ hochwertig
Wie bereits erwähnt, benötigt M-JPEG nur wenig CPU-Leistung – sowohl beim Codieren als auch beim Decodieren der Bilder – und sorgt für relativ hohe Interoperabilität. Standbilder (JPEG-Dateien) oder Sequenzen von Bildern (M-JPEG) können zu FTP-Servern, E-Mail-Adressen oder per MMS übertragen werden. Auch über HTTP können sie abgerufen werden. Fast jeder PC ist in der Lage, (M)-JPEG-codierte Bilder anzuzeigen. M-JPEG eignet sich daher nicht sehr gut für Live-Betrachtung oder kontinuierliche Aufzeichnung, es ist aber ideal für ereignisgesteuertes Abrufen von Standbildern oder die Übertragung von kurzen Alarm-Videos. Bei Anwendungen, wo Latenz, Bildqualität und Auflösung wichtig sind und wo die Bandbreite kein Problem darstellt, ist MPEG-2 vorzuziehen – insbesondere bei Live-Betrachtung und in kritischen Anwendungen. Beim Betrieb nur mit I-Frames bei acht Megabit/Sekunde hat MPEG-2 immer noch die beste Bildqualität. Die Anwendung von MPEG-2 ist durch Patente geschützt (MPEGLA.org); für jeden Encoder und Decoder ist eine Lizenzgebühr zu zahlen.
Wahlfreiheit
Wo die Bandbreite begrenzt ist (Internet, WAN oder Aufzeichnung) wird MPEG-4 viel klarere und weichere Bilder bei niedrigen Bitraten liefern als MPEG-2; die Grenze liegt hier bei vier Megabit pro Sekunde für D1 und um 64 Kilobit pro Sekunde für CIF-Auflösung. MPEG-4 ist ideal für die Speicherung und das Live-Streaming von Video über geringe Bandbreiten. Alles in allem ist H.264 nach wie vor das Format der Zukunft sowohl für hohe Qualität (720 oder 1.080 Pixel für HDTV- und Megapixelkameras) und für Anwendungen mit geringer Bandbreite. Aber genau wie beim MPEG-4-Standard gibt es viele Varianten, was in Sachen Interoperabilität zu Problemen führen kann. Da jedes Kompressionsverfahren für bestimmte Anwendungen optimiert ist, gibt es keinen absoluten „Gewinner“ oder den besten Algorithmus für alle CCTV- oder Video-Anwendungen. In einigen Fällen bestimmt die bereits installierte Technik die Verwendung eines speziellen Algorithmus und beschränkt die Auswahl an Produkten. Daher sollte ein Video-Server oder eine IP-Kamera in der Lage sein, in den meisten gängigen Formaten zu codieren.