Fachartikel aus PROTECTOR Special Videoüberwachung 2011, S. 49 bis 51
Analoge Kameras mit Encodern migrieren
Bindeglied zwischen den Welten
Immer mehr Unternehmen steigen auf netzwerkbasierte Systeme um – das macht analoge Systeme über kurz oder lang zu Auslaufmodellen. Das bedeutet aber nicht, dass man sofort auf die einstmals beträchtliche Investition verzichten muss. Um die Lücke zwischen analoger und netzwerkbasierter Welt sanft zu schließen, bietet sich der Video-Encoder als geeignete Lösung an.
(Bild: Axis) |
IP-Kameras bieten zahlreiche Vorteile: Megapixel- und HDTV-Netzwerkkameras sorgen für hochqualitative, detailreiche Bilder; integrierte Prozessoren liefern Rechenleistung für Videoanalytik, was Videoanalysen auf den Kameras ermöglicht; Power-over-Ethernet (PoE) bietet eine einfache Art der Spannungsversorgung; und via Internet Protokoll (IP) kann man auch aus der Ferne auf die Überwachungsbilder zugreifen. Außerdem: IP-basierte Videoüberwachungsanlagen sind skalierbar und können leicht erweitert werden.
Doch wie lassen sich analoge Kameras auf ein IP-Netzwerk migrieren, um auch mit ihnen diese Vorteile zu nutzen oder die gesamte Anlage schrittweise zu migrieren? Ein geeigneter Vermittler beider Welten ist der Video-Encoder. Er wandelt das analoge Videosignal in ein digitales, das je nach Model in M-JPEG, MPEG-4-Part-2 oder H.264 komprimiert wird und über den Netzwerkanschluss abgerufen werden kann. Mit Video-Encodern lassen sich so also die Investitionen in ältere Kameras schützen. Vor allem PTZ-Dome-Kameras und Kameras, die in spezieller Gehäusetechnik verbaut oder schwer zugänglich sind, können so auch mit einer Netzwerkanlage weiter – und noch besser – genutzt werden.
Flexible Lösung, einfache Installation
Die Installation des Video-Encoders ist relativ einfach: Die analoge Kamera wird an den Composite-Video-Eingang des Video-Encoders angeschlossen und dieser über seinen Netzwerkanschluss an das IP-Netzwerk. Damit der Video-Encoder über das IP-Netzwerk angesprochen werden kann, braucht er eine gültige IP-Adresse, die in der Regel automatisch über DHCP (Dynamic Host Configuration Protocol) bezogen wird. Sollte im Netzwerk kein DHCP-Dienst verfügbar sein, so muss die IP-Adresse manuell vergeben werden. Das erfolgt in der Regel über ein vom Hersteller mitgeliefertes Tool.
Mit den Anschlüssen an den Video-Encoder und an das Netzwerk sind bereits alle Voraussetzungen erfüllt, um das Bild der analogen Kamera über das IP-Netzwerk abzurufen. Am einfachsten geht das über einen Standard-Webbrowser. Bei einer Installation mit mehreren Kanälen, wird in der Regel ein VMS (Videomanagement-System) eingesetzt, das sich als Software-Lösung auf Rechner mit Standardbetriebssystem installieren lässt. Das VMS bietet eine professionelle Live-Bildbetrachtung für mehrere Kanäle in verschiedenen Ansichten. Außerdem kann man damit Videos speichern oder einfach nach ihnen suchen. Hierzu gibt es verschiedene Lösungen auf dem Markt, die in der Regel IP-Kameras/Video-Encoder verschiedener Hersteller unterstützen. Das VMS läuft auf normalen PCs oder Serverplattformen – deren Performance hängt von der Anzahl der Kanäle ab. Die Speicherkapazität richtet sich nach der Anzahl der Kanäle, der Bildrate und der benötigten Speicherdauer.
Netzwerkkabel statt Koaxialleitung
In einem IP-basierten Videoüberwachungssystem werden die Videobilder über das Netzwerkkabel übertragen, wobei als Netzwerktopologie eine Sternförmige Verkabelung genutzt wird. Als aktive Verteiler fungieren Ethernet-Switche, die über mehrere 10/100-Megabit/Sekunde-Anschlüsse verfügen – die in der TP-Variante auch als PoE-Spannungsquelle dienen können – und ein oder zwei 1000-Megabit/Sekunde-Uplink-Anschlüsse haben.
Video-Encoder-Racks bieten eine zentrale Migrationslösung. Im Bild ein Rack mit 14 Einschubplätzen, was zusammen mit einem Sechs-Kanal Video-Encoder-Blade einen Video-Encoder mit bis zu 84 Kanälen ergibt. (Bild: Axis) |
Die Switche werden jeweils in einem Radius von zirka 60 bis 80 Meter zu den Kameras installiert, sodass diese an über 100 Meter lange Kabelsegmente angeschlossen werden können. Über die Kabelsegmente werden die Videodaten übertragen. Bei Nutzung eines TP-Kabels kann darüber auch die Kamera/der Video-Encoder mit Spannung versorgt werden.Den Kern dieser Netzwerkinfrastruktur bilden Backbone-Switche mit einer Vielzahl von 1000-Megabit/Sekunde-Uplink-Anschlüssen, an denen die einzelnen Switche und das VMS angeschlossen werden. Der Ethernet-Standard (IEEE 802.3) beschreibt als Übertragungsmedium entweder TP-Kabel oder Glasfaserkabel, bei denen je nach Qualität und Ausführung verschiedene Datenraten realisiert werden können.
Skarlierbarkeit und Flexibilität
Video-Encoder werden mit einer unterschiedlichen Kanalanzahl angeboten, so gibt es Geräte mit einem, vier oder sechzehn Kanälen. Darüber hinaus gibt es modulare Systeme, mit denen sich Einheiten mit einer größeren Kanalanzahl einrichten lassen. Großer Vorteil der Video-Encoder ist die Tatsache, dass die gesamten Performance-Anforderungen auf diese verlagert werden. Das betrifft nicht nur die Videokomprimierung selbst, sondern auch eventuelle Rechenleistung für Ereignissteuerung und Videoanalytik, die wie bei Netzwerkkameras direkt auf dem Gerät ausgeführt werden kann. Damit entfällt, wie sonst üblich bei analogen Systemen, der Bedarf an Rechenleistung in der zentralen Instanz, auf denen die Videoströme zusammenlaufen. Somit lässt sich mit Hilfe von Video-Encodern die Migration sehr flexibel durchführen und in der Kanalanzahl einfach skalieren.
Zentral oder dezentral?
Bei der Migration von analogen Kameras mittels Video-Encoder gibt es einen zentralen oder einen dezentralen Ansatz. Beim zentralen Ansatz wird der Video-Encoder an der Stelle platziert, wo vorher die analogen Leitungen zusammengelaufen sind, also dort wo etwa die analoge Kreuzschiene installiert war. Dafür bieten sich Video-Encoder-Rack-Lösungen an: modulare Systeme, die aus einem 19-Zoll-Rack bestehen, die eine bestimmte Anzahl von Einschubplätzen für Video-Encoder-Blades aufweisen. Für diese Racks gibt es wiederum Blades, die jeweils vier bis sechs analoge Eingänge haben.
Stand-alone Video-Encoder mit ein bis vier Kanälen für den dezentralen Migrationsansatz. (Bild: Axis) |
Bei einer geringen Anzahl von Kameras bietet sich der Einsatz von Stand-alone-Geräten an, die in der Regel ein bis vier analoge Eingänge aufweisen. Die Ein-Kanal-Varianten sind auch für den dezentralen Einsatz interessant, wo der Video-Encoder in unmittelbarer Nähe der analogen Kamera platziert wird. Diese Lösungen lassen sich oft via PoE mit Spannung versorgen und bieten teilweise auch einen 12-VDC-Ausgang, über den die analoge Kamera mit bis zu fünf Watt Leistung versorgt werden kann. Dadurch entfällt am Installationsort der Kamera die Notwendigkeit für die Bereitstellung einer herkömmlichen Spannungsversorgung und der Video-Encoder sowie die Kamera können gegen einen Ausfall der Spannungsversorgung abgesichert werden, was beispielsweise bei Sabotage-Akten der Fall sein kann.
Auch analoge PTZ-Kameras vollfunktionsfähig ins Netz
Doch wie funktionieren analoge PTZ-Dome-Kameras in der IP-Welt? Die Antwort: Die meisten Video-Encoder haben eine serielle Schnittstelle, über die der analoge PTZ-Kopf angeschlossen werden kann. Will man diesen über das Netzwerk ansteuern, benötigt man Treiber, die der Video-Encoder-Hersteller für verschiedene PTZ-Protokolle als Download bereitstellt. Den Treiber muss man dann nur noch auf dem Video-Encoder installieren, um die analoge PTZ-Kamera über das IP-Netz ansteuern zu können. Die PTZ-Ansteuerung erfolgt dann wie bei den Netzwerkkameras. Für die Migration von analogen PTZ-Dome-Kameras sollte man also im Vorfeld immer prüfen, ob der Video-Encoder-Hersteller einen entsprechenden Treiber liefern kann.
Unicast, Multicast
Aber können die Bilder auch ohne Kreuzschiene auf verschiedenen Monitoren angesehen werden? Die Antwort: Die Video-Encoder können in der Regel via Multi-Streaming-Fähigkeit gleichzeitig mehrere Videoströme liefern und das sogar in unterschiedlichen Varianten (zum Beispiel in M-JPEG und H.264 in verschiedenen Bildraten). Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, die Videos über das Netzwerk entweder als Unicast oder Multicast abzurufen.
Unicast bedeutet, der Video-Encoder liefert jedem Endgerät (Workstation zur Live-Bildbetrachtung oder Server zur Bildaufzeichnung) einen eigenen Videostream. Mit jedem zusätzlichen Endgerät wird der Video-Encoder mehr belastet, ebenso wie die Netzwerkanbindung zwischen Encoder und Switch. Beim Multicast sendet der Video-Encoder hingegen einen Video-Stream an einen Multicast-fähigen Switch, der wiederum den Videostrom an alle Endgeräte weiterleitet. Vorteil: Der Video-Encoder und die direkte Netzwerkverbindung zum Switch werden so nur einmal belastet. Das ist vor allem für große Projekte interessant, bei denen eine große Anzahl von Endgeräten zeitgleich auf die Video-Encoder zugreift.
Jörg Rech, Team Leader Training Middle Europe bei der Axis Communications GmbH
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