Netzwerktechnik für IP-Videoüberwachung

Fachartikel aus PROTECTOR Special Videoüberwachung 2009, S. 47 bis 49

Die Einbindung der Videoüberwachung in ein IP-Netzwerk bietet zahlreiche Vorteile. Bei der Planung der NetzwerkInfrastruktur sind aber einige wichtige Aspekte zu beachten. Dazu gehören die Auslegung des Netzwerks, ausreichende Anschlüsse, große Kabelquerschnitte und sicherheitstechnische Aspekte.

Bild: Dätwyler
IP-Netzwerke haben sich als das Standardnetzwerk für die Übertragung unterschiedlichster Anwendungen durchgesetzt. (Bild: Dätwyler)

IP-Netzwerke haben sich als das Standardnetzwerk für die Übertragung unterschiedlichster Anwendungen durchgesetzt. Neben der Datenübertragung dienen sie heute vielerorts auch für die Telefonie (Voice over IP, VoIP), für digitale Fernsehübertragungen, Videokonferenzen, die Gebäudeleittechnik und für die Steuerung von Maschinen und Anlagen. Das Anwendungsspektrum hat sich erheblich erweitert, seitdem man eine wachsende Zahl an Endgeräten über das Datennetz mit Energie versorgen kann (Power over Ethernet, PoE).

Auch die Einbindung von Videoüberwachungssystemen in IP-Netzwerke hat sich durch die PoE-Technologie erheblich vereinfacht. Bei älteren Systemen wurde jede Kamera mit Koaxialkabel angefahren. Es wurde also ein separates, relativ starres System aufgebaut, bei dem es vor allem galt, das Dämpfungsbudget im Auge zu behalten.

Dass jeder Kamera auch noch eine Spannungsversorgung und Steuerleitung zugeführt werden musste, machte das Ganze nur noch aufwändiger und starrer. Heute dagegen benötigt man zum Anschluss einer IP-Kamera nur noch eine Standard-Datendose (RJ45) und ein Patchkabel.

Planung der Infrastruktur

Aktive und passive Netzwerkkomponenten
Im Gegensatz zur „aktiven Welt“ – zum Beispiel Switche, Router oder Netzwerkkarten in den Endgeräten – ist die strukturierte Gebäudeverkabelung, bestehend aus Kupfer und Glasfaserkabeln, Anschluss und Verteilkomponenten, eine passive Kommunikationsinfrastruktur. Auf dieser physikalischen Basis „kommunizieren“ die aktiven Komponenten miteinander, indem sie Signale, beispielsweise analoge oder Bus-Signale, aufbereiten und in digitaler Form mithilfe bestimmter Protokolle, wie IP und Ethernet, zu anderen Endgeräten übertragen. Die verwendeten Protokolle bestimmen die benötigte Bandbreite.

Selbst wenn man die Fülle an Anwendungen und technischen Vorteilen, welche die moderne IP-Videotechnik bietet, noch gar nicht nutzen möchte, sind bei der Planung der passiven Netzwerkinfrastruktur einige grundsätzliche Aspekte beachten. Dazu gehört in erster Linie die im Vergleich zu allen aktiven Geräten ungewöhnlich lange Standzeit eines lokalen Netzwerks (Local Area Network, LAN) von 15 bis 20 Jahren. Wer also zukünftige aufwändige Umbauten und Nachverkabelungen vermeiden will, muss die Infrastruktur von vornherein vorausschauend planen.

Bei der Videoüberwachung richtet sich die Qualität der Übertragungsstrecken – der Kabel und Anschlusskomponenten – ebenso wie die der Kameras nach dem angestrebten Zweck. Will man nur aufzeichnen? Geht es ums Erkennen? Oder sogar um eindeutiges Identifizieren? Noch höher sind die Anforderungen an die Übertragungsstrecken bei Echtzeit-Videostreams.

Bei einer großflächigen Echtzeit- und Bewegtbild-Übertragung mit vielen Kameras gehen die großen Datenmengen mit einem hohen Bandbreitenbedarf einher. Damit die Übertragung aller anderen Dienste im LAN nicht negativ beeinflusst wird, ist es sinnvoll, auf eine leistungsfähige Verkabelung der Klasse F (600 Megahertz) oder sogar auf ein Klasse FA-Netzwerk (1.000 Megahertz) zurückzugreifen.

Sammelpunkte

Eine typische strukturierte Verkabelung ist auf jeder Etage sternförmig ausgelegt: Vom Verteiler aus werden symmetrische Kupferkabel zu vielen einzelnen Anschlussdosen geführt. Eine gängige Variante, die mehr Flexibilität ermöglicht, ist die Einrichtung von Sammelpunkten oder Consolidation Points (CP), die mit mehreren Kabeln angefahren werden. Sie stellen an zentralen Orten, etwa im Doppelboden eines Großraumbüros, eine ganze „Sammlung“ von Anschlussdosen zur Verfügung. Die PCs, Drucker, Bildleinwände und andere netzwerkfähige Geräte sind über flexible Patchkabel mit den CPs verbunden.

Die infrastrukturellen Voraussetzungen für ein IP-basiertes Video-überwachungssystem lassen sich mit relativ geringem Aufwand schaffen. Da die Kameras aus Sicherheitsgründen ohnehin an Decken beziehungsweise von der Decke herab angeschlossen werden, sollte man Sammelpunkte in den Deckenbereichen einplanen.

Auch bei einer herkömmlichen strukturierten Verkabelung, bei der die Etagen über den Boden oder über Brüstungskanäle erschlossen sind, ist eine zusätzliche Verkabelung der Decken erforderlich. Die vorhandenen Anschlüsse können ja nicht nur für die Anbindung der Kamerasysteme, sondern auch von WLAN Access Points sowie für die IP-basierende Gebäudeautomation – die Steuerung der Beleuchtung, Rolläden oder Lüftung – genutzt werden.

WLAN Access Points

Bild: Dätwyler
Die verwendeten Wifi-Geräte – wie auch alle Netzwerk-Switches und -Router – sollten für eine störungsfreie Datenübertragung QoS-fähig sein (Quality of Service). (Bild: Dätwyler)

Es gibt auch Überwachungskameras, die drahtlose Verbindungen mit dem IP-Netzwerk ermöglichen. Diese Option sollte bei hohen Sicherheitsanforderungen aber nur als Notlösung betrachtet werden. Denn das WLAN-Netz kann, etwa bei einem Einbruch, mit einfachen Mitteln von außen gestört werden. Außerdem kann es zu Kollisionen mit anderen Diensten kommen.

Gerade die schnelle Verbreitung kabelloser IP-Telefone – deren Datenverkehr ebenfalls im Prioritätsbetrieb abgewickelt wird – führt in einer solchen Struktur über kurz oder lang dazu, dass zwei Systeme um die Übertragungsmöglichkeiten für Echtzeit-Streams konkurrieren.

Damit es nicht zu gegenseitigen Störungen kommt, ist wiederum eine gute Planung notwendig, welche die Anforderungen der unterschiedlichen Dienste berücksichtigt. Außerdem sollten die verwendeten Wifi-Geräte – wie auch alle Netzwerk-Switches und -Router – QoS-fähig sein (Quality of Service). Damit kann die störungsfreie Übertragung auch der IP-Überwachungskameras gewährleistet werden, ohne dass es zu Kollisionen mit anderen Diensten kommt.

Große Kabelquerschnitte

Kategorien, Klassen, Bandbreiten und Datenraten

Internationale und nationale Standardisierungsgremien legen fest, welche Anforderungen die Übertragungsstrecken (Links) in einem Netzwerk erfüllen müssen, um bestimmte Protokolle „transportieren“ zu können. Die NetzwerkLinks werden in Klassen unterteilt, die Komponenten, aus denen sie sich zusammensetzen, in Kategorien.Ein Link der Klasse D, der aus Komponenten mindestens der Kategorie 5 besteht, bietet eine Bandbreite von maximal 100 Megahertz. Darüber kann man Anwendungen mit Datenraten von maximal einem Gigabit/Sekunde, also zum Beispie 1-Gigabit-Ethernet, übertragen.Moderne Netzwerke sollen zukünftige Anwendungen mit Datenraten bis zu zehn Gigabit/Sekunde, zum Beispiel 10-Gigabit-Ethernet, übertragen können. Das ist möglich mit:

  • Klasse EA-Link (Bandbreite: 500 Megahertz) mit Cat. 6a-Komponenten,
  • Klasse F-Link (Bandbreite: 600 Megahertz) mit Cat. 7-Komponenten,
  • Klasse FA-Link (Bandbreite: 1.000 Megahertz) mit Cat. 7a-Komponenten.

Bei der Planung der Verkabelung sollte man weiterhin darauf achten, dass Kupferkabel mit einem relativ großen Querschnitt (AWG 22) und einem geringen Schleifwiderstand verwendet werden. So kann man die angeschlossenen Endgeräte, darunter auch die Kameras, über das IP-Netzwerk mit Energie versorgen, ohne den zulässigen Spannungsfall zu überschreiten.

Beim Transport relativ großer Ströme zur Versorgung der Verbraucher kann es im Datenkabel unter ungünstigen Umständen zu schädlichen Erwärmungen kommen. Das Phänomen tritt insbesondere auf Trassen auf, wo mehrere Kupferkabel dicht nebeneinander liegen.

Dieser Aspekt wird umso wichtiger, als die standardisierte PoE-Leistung und die Betriebstemperaturen in den Kabeln noch steigen werden. Der größere Leiterquerschnitt eines AWG 22-Datenkabels reduziert dagegen den Widerstand und die ohmschen Verluste. Dadurch wiederum nimmt die Erwärmung der Kabel ab, und die Zuverlässigkeit des gesamten Netzwerks erhöht sich.

Kameras und Erfassungssysteme werden häufig in Fluren und Treppenhäusern eingebaut. In diesen brandschutztechnisch sensiblen Bereichen haben Steckernetzteile nichts zu suchen. Ein Grund mehr, PoE-Infrastrukturen zumindest in diesen Bereichen mit Sorgfalt zu planen.

Sicherheitstechnische Anforderungen

Flure und Treppenhäuser dienen im Brandfall als Fluchtwege. Daher spielen bei der Verkabelung der Überwachungstechnik auch brandschutztechnische Aspekte, wie etwa Brandlasten und Brandverhalten, eine wichtige Rolle. Die eingesetzten Kabel müssen in diesen Bereichen alle brandschutztechnischen Anforderungen für ein verbessertes Verhalten im Brandfall erfüllen. Dazu zählen in erster Linie Halogenfreiheit, Flammwidrigkeit sowie eine minimale Brandfortleitung und Rauchentwicklung.

Videobilder sollten in einem IP-Netzwerk grundsätzlich verschlüsselt übertragen werden. Deshalb ist zu prüfen, ob die Kameras die Daten selbst verschlüsseln können oder ob dafür zusätzliche Geräte notwendig sind. Es gibt am Markt auch WLAN-Geräte, welche die Verschlüsselung leisten.

Typischerweise verwendet man für die Videoübertragung eigene virtuelle LANs (VLANs), um eine saubere Trennung zwischen den unterschiedlichen Diensten zu erreichen. Auch bei der Einrichtung von VLANs ist darauf zu achten, dass man keine Leitungskapazitäten, die für andere kritische Dienste benötigt werden, blockiert.

Peter Pardeyke, Produktmanager Safety & Automation bei Dätwyler Cables in Hattersheim bei Frankfurt

Jonas Greutert, Leiter Produktmanagement & System Engineering bei Dätwyler Cables in Altdorf, Schweiz, www.daetwyler-cables.com