Fachartikel aus PROTECTOR Special Videoüberwachung 2008, S. 38 bis 41
Drahtlose und sichere Videoübertragung
Videoüberwachung mittels Funktechnik
Mit der Einführung der dritten Generation der Mobilfunktechnik wie etwa UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) werden Datenübertragungen in größter Menge, wie sie bei Bildern und Filmen anfallen, möglich. Doch scheint das nicht auszureichen, schon werden noch breitbandigere Netze gefordert und angeboten.
UMTS/LTE Mobilfunkkameras im Fachhandel: Überwachungskameras zur mobilen Videoüberwachung
Videofunkübertragung erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Die Bandbreiten lassen jedoch noch zu wünschen übrig. (Bild: Fotolia/Udo Ingber) |
Um die Unmengen Daten zu befördern, die eine ungebremste Ausweitung der Anwendungen erzeugt, beispielsweise durch den Einsatz von verkabelten Kameras und der Erweiterung der lokalen Netze durch funkangebundene Kameras, sind tatsächlich Systeme mit größeren Kapazitäten erforderlich. Gleichzeitig steigen die Qualitätsanforderungen, die bis heute nur mit Standleitungen oder Richtfunk befriedigt werden können. Hätten wir Zugang zu anderen Funkfrequenzen, wären Übertragungen von größeren Datenmengen zu marktgerechten Preisen problemlos möglich. So stößt die dritte Generation der Mobilfunktechnik bereits wieder an ihre Grenzen. Unter dem Stichwort HSDPA (high speed downlink packet access) sammeln sich zurzeit Technologien, die die übertragene Datenrate künftig deutlich nach oben schieben sollen. Der neue Standard Wimax (Worldwide Interoperability for Microwave Access) scheint zumindest in Asien und Amerika das Rennen zu machen – wiederum können erhöhte Datenmengen schneller transportiert werden.
Videoüberwachung ohne Grenzen
Die Möglichkeit, mehr Daten schneller zu übermitteln, ist besonders für alle Videokonfigurationen von Bedeutung, wobei Realtime-Bilder das Ziel sind. Es klappt bislang noch nicht so recht: drei/vier Bilder pro Sekunde, die über die gängigen Mobilfunknetze verschickt werden können, sind nicht gerade gewaltig, wo doch 25 Bilder pro Sekunde von den Videokameras beim Empfänger ankommen, der sie nun über Mobilfunknetze zum Endnutzer schicken möchte. Hier entsteht gewissermaßen ein Stau, denn die gängigen Systeme leisten in Echtzeit noch nicht mehr. Hier wären Standleitungen oder Richtfunk, wie sie größere Firmen und die Rundfunkanstalten nutzen, vonnöten. Und dennoch, ganz offensichtlich stört sich die Nutzergemeinde an den abgehackten Bildsequenzen nicht sonderlich: Ob für Baby, Einzelhandel, Rechenzentrum oder Veranstaltung, die Zahl der Nutzer wächst trotzdem, ein Ende des Booms ist noch nicht in Sicht. Bis zum Endes des Jahres erwarten Fachleute providerabhängig 17 Millionen UMTS-Teilnehmer.
ErweiterteNutzungsmöglichkeiten
Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht: In nicht allzu ferner Zukunft werden beispielsweise mobile Breitbandkommunikation mit Fahrzeugen möglich oder über Nahbereichskommunikation (Near Field Communication, NFC) drahtlose Bezahlsysteme realisiert. Auch der Mobilfunkstandard UMTS rüstet weiter auf. Mit High Speed Uplink Packet Access (HSUPA) wird ein Übertragungsverfahren geschaffen, das höhere Datenraten im Uplink ermöglichen wird. Mit dem neuen Verfahren, das ein Teil des Release 6 von UMTS ist, konnten schon bis zu 5,8 Megabit/Sekunde erreicht werden. Seine Spezifikation im Standardisierungsgremium 3GPP ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Wie auch die Markttauglichkeit noch nicht bewiesen ist. Mobile und stationäre Endgeräte, die über Funk an Telefonnetz, Internet oder lokale Netze in Unternehmen oder Behörden angebunden sind, erweitern die Nutzungsmöglichkeiten dramatisch. Durch drahtlose Netze entfällt das aufwändige Verlegen von Kabeln, das teilweise aus Platz- oder Entfernungsgründen auch gar nicht sinnvoll realisierbar war. Völlig neue bildgestalterische Möglichkeiten eröffnen sich für Film, Funk und Fernsehen, weil die drahtlosen Kameras Live-Bilder von Ereignissen liefern können, die früher mit verkabelten Kameras nicht denkbar waren. Adhoc-Vernetzungen per Funk (kurzfristige Verbindung von Geräten ohne aufwändige Konfiguration) ermöglichen den spontanen und mobilen Datenaustausch.
Drei/vier Bilder pro Sekunde können derzeit über gängige Mobilfunknetze verschickt werden. (Bild: Fotolia/Franz Pflügel) |
Vielseitige Kameras
Die Kameras werden immer komplexer, ihre eingesetzte Anzahl immer höher, gleichzeitig kosten sie immer weniger. Längst werden neu zu errichtende Anlagen als digitale Netzwerke ausgelegt, die zentral gesteuert werden können. Momentan werden die vorhandenen analogen Systeme noch integriert, doch die Zukunft ist digital. Mit der Videodatenanalyse nimmt bereits die Kamera eine Selektion des Geschehens vor, das sie dann sendet und so den Datengau der Netze verhindert. Das erleichtert auch dem Leitstellenmitarbeiter die Arbeit, der nur noch einen Bildschirm zu überwachen hat, der nur dann etwas zeigt, wenn etwas passiert. Zwangsläufig ist der nächste Schritt die Einsetzung drahtloser Komponenten, unter anderen auch Kameras, die nicht nur einfacher und damit schneller zu installieren sind, sondern auch an Stellen positioniert werden können, die mit verkabelten Kameras nicht zu erreichen sind. So ist es häufig weniger die Frage, ob man sich mit drahtloser Kommunikation aus- oder aufrüstet, sondern eher, wann und ob ausreichend Schutz vor Störung durch Sabotage – zum Beispiel „Jamming“ (Störsender) – gewährleistet werden kann.
Die Übertragung über Funk zum Empfänger und von dort aufs Handy oder ins Internet ist keine Zauberei, sondern – noch etwas holprig – „State of the Art“. Die Verbreitung drahtloser Kommunikationssysteme steigt denn auch seit Jahren ebenso wie die Vielfalt der Produkte. Drahtlos heißt, dass Informationen über elektromagnetische Wellen, wie Funk oder optisch (Infrarot), zwischen den Kommunikationspartnern übertragen werden. Ein physikalischer Schutz des Mediums, den eine Leitung – sei es Kabel, Draht oder Glasfaserkabel – bietet, entfällt allerdings, was die Systeme störanfälliger macht.
Vorsicht vor Manipulation
Mit aller Steigerung des Komforts und der Mobilität geht freilich auch ein zusätzliches Gefährdungspotential der übermittelten Daten in der ersten Stufe einher, beispielsweise von der Kamera zum ersten Empfänger. Bei praktisch allen drahtlosen Kommunikationssystemen können Interferenzen und stark schwankende Kanalbedingungen zum Verlust der Kommunikationsfähigkeit des Systems führen. Die ausgesendeten elektromagnetischen Wellen können zudem aber auch von Dritten empfangen, aufgezeichnet, ausgewertet und eben auch beispielsweise durch Jamming manipuliert werden. Da ein Abhören der drahtlosen Kommunikation nicht vermeidbar ist, muss der Datenstrom mit sicheren Verschlüsselungs- und starken Authentisierungsverfahren so gesichert werden, dass eine Nutzung durch Unberechtigte und eine Verfälschung der Daten unmöglich ist oder zumindest sehr erschwert wird, beispielsweise durch Wi-Fi Protected Access (WPA).
Die Trends in Sachen Video
Kameras werden immer billiger – immer intelligenter – recht bald werden wir nur noch dann ein Bild auf einem Monitor sehen, wenn die Kriterien der Beobachtungsnotwendigkeit auch wirklich erfüllt sind. Das heißt, der über das Drehkreuz hüpfende „Nicht“-Zahler wird gezeigt, nicht aber die vielen legal durch die Vereinzelungsanlage sich schleusenden Menschen. Der Graffitisprüher wird im Moment des Sprühens gezeigt, nicht aber der vor der Wand stehende wartende Fahrgast des ÖPNV. Datenschutz, Du musst jetzt tapfer sein, es gibt keine Argumente mehr für ein plakatives NEIN in Richtung Video. Datenvolumina werden dramatisch reduziert, Netzressourcen optimiert. Managementsysteme werden „open“ und vereinen die technologischen Kontrollmaßnahmen jedwelcher Art – der Leitstandsmitarbeiter ist in Zukunft ein Ingenieur und nicht mehr die Niedriglohn-Aushilfskraft. Denn hier werden wirkliche Entscheidungen gefällt werden müssen. Aber eine Sache bleibt: Funkübertragung bleibt zweitrangig, wenn es um wirkliche Verlässlichkeit geht! Frequenzbereiche sind mit Stand heute immer noch mit Garagentoröffnern und Lichtschaltern zu teilen. Gesicherte Übertragung von A nach B kann es so nicht geben. Es scheint, als habe sich die Frequenzverwaltung in unserem Lande in den letzten 15 Jahren mehr mit Namensänderungen beschäftigt (aus OPD wurde BAPT, aus RegTP letztlich Bundesnetzagentur), denn mit Innovationen – wir merken es schmerzlich und hängen ganz am Ende in der Nutzung von Übertragung via Funk. Denn ohne diese Organisation/Behörde wird nichts übertragen. Und da sind wir auch beim Resultat: Nichts Berichtenswertes!
Ulrich Skubsch, Inhaber USK-Consult-Video-Alarm-Funk und Öffentlich bestellter Sachverständiger u.a. für Funkübertragung und Alarmsysteme, www.skubsch.de
Drahtlose Sicherheitstechnik
Insbesondere bei der Sicherheitstechnik ist die drahtlose Kommunikation gefragt. Durch die Unabhängigkeit der Funkvideoanlagen von Kabelnetzen werden die Einsatzmöglichkeiten von Videoüberwachungen erheblich erweitert. Außenposten, weiter entfernte Zugänge oder Baustellen sind oft nur sehr aufwändig zu verkabeln, hier können Funkkameras mit Sensorikmeldern Überwachungsdefizite effizient und preiswert lösen. Die Einsatzvielfalt ist groß: Kameras können Transporte und hier besonders Werttransporte begleiten, Taxis, Häuser, Autos oder Boote sind leichter zu überwachen. Sehr aktuell kann der Klau von teuren Fotovoltaikanlagen, wie jüngst in Süddeutschland, schneller erkannt und bekämpft werden. Videoüberwachung ist für Feuerwehr und Polizei ein wichtiges Hilfsmittel, um Verkehrsflüsse oder Demonstrationen zu beobachten und dient der Kriminalitätsprävention und -verfolgung. Wach- und Sicherheitsdienste können mit verbesserten Videoanlagen ihren Auftrag effizienter erfüllen, auch Open-Air-Veranstaltungen werden durch Videotechnik überschaubarer. Hotelsicherheit, Messebeobachtung und Parkhausmanagement mit Nummernschilderkennung, sind weitere Einsatzmöglichkeiten mobiler Videotechnik, die auch Museen und Galerien schützen kann. Normale Funkkameras können je nach Modell unter günstigen Bedingungen sowie genehmigter Sendeleistung Bild und Ton bis zu mehreren 100 Meter Entfernung zwischen Sender und Empfänger ohne Verkabelung übertragen, wobei Sichtverbindung erwünscht ist. Sie benutzen dazu in der Regel die in Deutschland verfügbaren Frequenzbereiche von 2,4 und 5,6 Gigahertz. Durch Hindernisse, wie Gebäude, Bäume und sogar Nebel oder Regen, kann die Entfernung im ungünstigsten Fall und je nach Frequenz deutlich variieren. So sind Abschattungen, Reflexion, Beugung und Absorption bei der Planung von Funkübertragungen zu berücksichtigen.
Um die Ecke schauen
Zahlreiche Unternehmen der Branche haben sich des Dilemmas, dass Funkkameras nur dann brauchbare Daten liefern, wenn sie in Sichtweite des Empfängers installiert sind, angenommen und akzeptable Ergebnisse erzielt. Beispielsweise hat die Firma VTQ aus Querfurt ein System entwickelt, bei dem eine Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger unnötig ist. Bei ihrem digitalen Videofunksystem O.R.C.A, das sowohl als stationäres wie auch als mobiles System geliefert wird, werden die Video- und Audiosignale im MPEG-2-Verfahren komprimiert und im COFDM (Coded Orthogonal Frequency Division Multiplex) Modulationsverfahren übertragen. Dieses Vielträgerverfahren eignet sich hervorragend zur Übertragung von digitalen Daten, weil die Signale auf eine Vielzahl von Trägern aufgeteilt werden. Die Problematik der Mehrwegeausbreitung und Reflexionen entfällt, denn die Reflexionen, die bei der Übertragung innerhalb eines festgelegten so genannten Guardintervalls auftreten, werden positiv für die Ergebniszusammenstellung genutzt, die Übertragung wird sicherer. Falls Störungen durch andere Teilnehmer auftreten, kann problemlos zwischen dem 2,4 und dem 5,8 Gigahertz-Band gewechselt werden, um weiter zu senden. Ein digitaler Diversity-Empfänger, der immer mindestens zwei Antennen und Empfangssysteme verwendet, optimiert den Empfang. Der Empfänger sucht mit der MRC-Methode (Maximum Ratio Combining) aus verschiedenen eingehenden Signalen in Sekundenbruchteilen die jeweils besten Teile eines Signals aus, rechnet sie zusammen und sendet sie zu Bildschirm oder Recorder. Auch mit der Kommunikation zwischen Fahrzeugen haben sich die Sachsen-Anhaltiner beschäftigt. In zwei sich begegnenden Fahrzeugen (Differenzgeschwindigkeit 320 Kilometer/ Stunde) konnten mit dem System gestochen scharfe Bilder übermittelt werden.
Autor: Michael Hassenkamp, freier Journalist in Berlin
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